Mitten im Winter während der Vorbereitungen unseres Vortrags beschlossen Hechei und Simon noch einmal ins Valley zu reisen. Von diesem Vorhaben begeistert schlossen sich Honey, Hannes, Joe und meine Wenigkeit sofort an. Letztes Jahr waren wir aufgrund taktischer Probleme in der bekanntesten Tour, der Nose, relativ früh ausgeschieden – das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen.
Nachdem Joe und ich den Winter (der keiner war) und den Stress des Vortrages hinter uns gelassen hatten, begannen wir sogleich Pläne für die Nose zu schmieden, um nicht nocheinmal zu „versagen“!
Wir entschlossen uns zu folgender Taktik: Joe und ich bevorzugten die sichere Variante, die uns 3 Tage inkl. 2 Biwacknächte samt Haulbag bescheren sollte. Aufgrund von diversen pysikalischen Vorteilen entschieden wir uns für eine art Regentonne die den Namen Faxe bekam.
Hechei und Simon entschieden sich für die schnellere jedoch unsichere Variante: 1-2 Tage mit möglichst wenig Gewicht dass auch wenig Wasser und Essen hieß! Bei Hitze ein verheerendes Unterfangen.
Das Training begann für uns schon Mitte April wo wir unser Trittleitertechnicken am Saubichi verbesserten. Schon ein bisschen ernster wurde es in Arco wo wir zwei A2 Touren am Kolodri bestrittten, die jedoch ohne gefinkelter Technick nicht bezwingbar waren. Schlussendlich stiegen wir aber doch immer wenn auch ohne nerven und völlig ausgepowert den Gipfel.
Die nötige Moral bescherten uns die „Pumprisse“ wo wir auch noch unserer Risstechnik verbessern konnten. Den allerlezten Feinschliff holten wir uns dann noch in Arco am Monte Brento, wo wir den A2 Bigwall „Via Vertigine“ in 2 Tagen bestritten. Nun fühlten wir uns fit genug für die Nose. Die Reise konnte beginnen.
Und so standen wir Mitte September wieder in den El Cap Meadows unter der geschichtsträchtigsten und imposantesten Wand aller Big Walls. Nach einigen Minuten des Staunens hieß es dann Einchecken ins Camp 4, dem Kletterertreffpunkt schlechthin. Wir waren schon gespannt was uns dort erwarten würde.
Und was sahen wir da? Konnte es wirklich sein? War es eine optische Täuschung? Das dreckige und staubige Gesicht, das uns da anstarrte gepaart mit der blonden Mähne erinnerte uns an einen Kletterer und Trunkenbold aus Going.
Tatsächlich - Es war Guido, der zusammen mit seiner Freundin Sophie bereits seit ein paar Wochen im Camp 4 residierte. In dieser Zeit muss er sich schon ziemlich ausgetobt haben, anders können wir uns nicht vorstellen, dass ihn unsere sanfte Begrüßung derart zu Boden geworfen hat.
Unsere Gemüter schrien nach Fels, doch unsere gesundheitliche Verfassung sollte uns noch einige Striche durch die Rechnung machen! Schon unsere Anreise war von Schnupfen, Husten, Ohrenweh und Antibiotika-Hämmern gekennzeichnet.
Natürlich war unsere Motivation zu groß um auf unsere Körper zu hören. Wir schenkten uns keine Zeit der Ruhe, erhoben uns vom mittlerweile zerquetschten Guido, wischten uns das klein wenig Staub, das wir abbekommen hatten aus Mund, Nasen und Ohren und bewegten uns zur nächstbesten Wand. Dort kletterten wir im wahrsten Sinne des Wortes bis uns schwarz vor Augen wurde. Dass dies nicht unbedingt förderlich war, bekamen wir die Tage darauf zu spüren. Für Hechei und Hone waren sogar mehr als drei Tage absolute Ruhe angesagt. Schwer zu ertragen für beide, Hechei konnte sich jedoch gottseidank an unseren Zeltnachbarn abreagieren, sonst wären wahrscheinlich uns die Tassen um die Ohren geflogen.
Um nicht Opfer Hechei’s Agressionen zu werden schlenderten Joe und ich (Hias) nach kurzem Einklettern Richtung Half Dome NW-Wand. Nach überwältigen der sogenannten „Slabs“ zu deutsch Schrofen kamen wir schließlich nach 3 stündigen Marsch am Fuße der Wand an. Aufgrund der Wandexposition, die uns ziemlich viel Abendsonne bescherte, und einer Aufwärmtour jenseits unseres Kletterkönnens (falscher Einstieg), überkam uns eine Durstatacke mit fatalen Folgen! Streng rationiert mussten wir feststellen dass wir nun zu wenig Wasser hatten. Somit standen wir vor einer schwierigen Entscheidung: Umkehren oder durchbeißen! Wir entschieden uns für letzters und starteten sogleich am nächsten und konnten trotz Wassermangels unser Vorhaben die als Bigwall geltende Wand in einen Tag zu durchsteigen. Jedoch zwang uns die Dunkelheit zu einem Gipfelbiwag die eher in ein Abenteuerbuch passte als zu uns. Froh die Nacht überwunden zu haben stiegen wir am darauffolgenden Tag ins Camp ab.
Nach zwei Tagen Ruhepause fühlten wir uns wieder fit genug um einen Versuch in der Nose zu starten. Und siehe da, das Training hatte sich ausgezahlt so befanden wir uns schon am frühen Nachmittag auf unseren Biwackplatz! Während des 1. Tages lernten wir 3 übernette Neuseeländer kennen die uns auf den langen rissdurchzogenen Trip begleiteten und uns bis zum Gipfelplateau. Da noch genügend Zeit blieb fixierten wir noch die nächsten 2 Seillängen. Die Nacht am sogenannten El Cap Tower war angenehm ruhig und so starteten wir am nächste Tag ausgeschlafen und fit in die nächsten Seillängen. Der Kingswing gestaltete sich ein wenig schwirig für mich, musste man doch einen ca. 30m Swing von einem Riss in den 30 Meter entfernten machen. Einziges problem: Man wusste nicht wo er sich befand so stürzte ich mehrmals zurück und zog mir ein paar blaue flecken zu.Schließlich meisterten wir jedoch auch diese Prüfung und gelangen über das Great Roof und der Pane Cake Flake (Pfannkuchenschuppe) zu unserem zweiten Biwack. Ein sehr ungemütliches wie sich herausstellte war ja für den 2. nur bis zur Hüfte platz genug um dort schlafen zu können. Umdrehen oder Stellungswechsl unmöglich
Doch auch diese fast schlaflose Nacht verstrich und so erreichten wir nach wenigen überaus technisch zu kletternden Seillängen um 11 Uhr Vormittag den Gipfel! Ein unbeschreibliches Gefühl die uns Gänsehaut bescherte! Um diesen Erlebniss noch das i-Tüpfchen zu besorgen, erwartete uns eine Freundin der Neuseeländer mit frischgemachten Burritos und kühlen Bier. Welch ein Genuss!!!
Für Hechei und mich(Simon) wurde die Zeit immer knapper und einige Male wurden die Fixseile eingehängt und wieder abgebaut, Hechei musste sich einfach noch auskurieren. Schlussendlich wagten wir dann doch unser Glück. Um drei Uhr in der Früh stiegen wir in die 1000 Meter hohe Wand ein. Alles lief wie am Schnürchen. Mit leichtem Gepäck kamen wir schnell voran und erreichten schon zu Mittag unser Tagesziel unterm Great Roof. Somit hieß es natürlich noch schneller sein, eine Eintagesbegehung erschien machbar.
Oberhalb des Great Roof jedoch die Ernüchterung: Eine amerikanische Seilschaft zu überholen kostete uns viel Zeit und plötzlich hörten wir unten aus den Meadows eine Stimme aus dem Megaphon, die mit uns zu sprechen schien. Offenbar war über uns ein Unfall passiert. Von diesem Zeitpunkt an begann sich die ganze Sache ziemlich zu verzögern, zumal auch noch eine dritte Seilschaft bestehend aus zwei Schweizern auftauchte und überholte. Wir erreichten schließlich gegen 5 Uhr das Camp 5, 250m unter dem Gipfelplateau.
Auf dieses schmale Biwakband war ein mexikanischer Kletterer gestürzt und hatte sich beide Beine gebrochen. Er wurde von den Schweizern notdürftig versorgt und wartete auf seine Bergung. Wir beschlossen die Nacht auf einem Band 5m tiefer zu verbringen. Die deutsch-schweizerische Sprachbarriere bescherte uns dabei eine unangenehme Dusche mit mexikanischem Urin. Nachdem wir die Vorwarnungen der Schweizer nicht beim ersten Mal verstanden, ergoss sich auch schon der gelbe Regen über uns.
Sobald die Dämmerung einsetzte wurden in den Meadows Scheinwerfer aufgestellt um unseren Biwakplatz auszuleuchten und die Bergung zu beschleunigen. Der Verletzte wurde dann während wir tief und fest schliefen geborgen und über die gesamte Wand abgeseilt.
Am nächsten Morgen standen uns noch die schönsten und anspruchsvollsten Seillängen bevor. Vorbei am stinkenden Camp 6 und mit Mikrokeilen über die Changing Corners geschwindelt erreichten wir das Gipfelplateau des El Cap – die Freude über den erfüllten Traum war riesengroß.
Auch Hone und Hannes konnten nach Hone's Gesundung endlich zuschlagen und die „Snake Dike“. Diese Tour führt über eine geneigte Quarzader durch eine strukturlose Granitplatte auf den Gipfel des Half Dome und besticht nicht nur durch ihre beeindruckende Kletterei sondern auch durch die spärliche Absicherung. Beinhart berechnend hat sich Hone nicht mehr als die geforderte eine Expresschlinge an seinen Gurt gehängt um eine 50m Seillänge zu klettern.
Die letzten paar Tage verbrachten wir dann noch bei unserem schlagzeugspielenden und schnitzelkochenden Freund David in Los Angeles, den wir letztes Jahr kennengelernt hatten. Bei unseren Ausflügen ins Nachtleben von L.A. konnten wir ihn nicht von unserem Umgang mit Barkeepern überzeugen und mussten schließlich (draußen) auch selbst einsehen, dass wir hierbei nicht sehr erfolgreich waren.
Auch dieses Jahr haben wir wieder viel gelernt. Zum Beispiel:
dass man im Camp 4 nach wenigen Tagen derartig verdreckt, dass man nicht mehr wiederzuerkennen ist (siehe Guido) und somit ideal untertauchen könnte, wenn man einmal Dreck am Stecken haben sollte (passiert).
dass das blitzartige Verstehen einer Fremdsprache die Wahrscheinlichkeit mit Fäkalien besudelt zu werden stark minimiert.
dass Alkoholkonsum die Geschwindigkeit für Speedbegehungen von Big Walls nicht mindert sondern wahrscheinlich maximiert (siehe deutsches Brüderpaar Huber).
dass amerikanische Barkeeper bitterarm sind und unbedingt auf das Trinkgeld ihrer Kunden angewiesen sind um ihre Kinder zu ernähren.
dass jeder Körper einen automatischen Überlastungsschutz besitzt, der bei mehrmaliger Auslösung zu einer mehrtägigen Bettlägrigkeit führt.
dass mehrtägige Bettlägrigkeit bei gewissen Personen zu übermässigem Aggressionspotential führt.
dass ein übermässiges Aggressionspotential gewisse Personen dazu treibt Geschirrgegenstände in Richtung Unbeteiligter zu werfen (Achtung Verletzungsgefahr!)
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