Freitag, 21. November 2008

Patagonien ist anders



Erstens kommt es anders - und zweitens als man denkt. Lt. allgemeiner Wetterprognose und unserem Wetterfrosch Karl Gabl sollte der Sonntag noch schlecht sein, Montag und Dienstag und Mittwoch dafuer 100%ig. Also sah unsere Strategie folgendermassen aus: Start am Montag auf die Schulter zum Fixieren der ersten Seillaengen, Biwak auf der Schulter un am Dienstag voll durch. Doch Patagonien bzw. dessen verdammtes Wetter machte uns einen Strich durch unsere bei unzaehligen Bieren wohldurchdachte Strategie: Der Sonntag war auch schon wunderschoen, doch nach hinten raus schien das Schoenwetterfenster immer kleiner zu werden, schon am Mittwoch sollte es wieder patagonisch werden. Also beschlossen wir aus dem Stehgreif heraus, bereits am Sonntag Nachmittag direkt von El Chalten zu starten. Das heisst im Klartext: 2 Stunden ins Bridwell-Camp, 4 Stunden von dort ins Norwegerbiwak zum deponiertem Material und nochmals 4 Stunden auf die Schulter zum Einstieg und von dort ohne Pause weiterklettern. Eine "Harakiri"-Strategie, aber das beschissene Wetter zwingt zu solch verwegenen Taktiken. Fazit: Strategien und Plaene in Patagonien sind fuer die Fische, weils sowieso anders kommt. Gesagt, getan, so starten wir und die Ischgler Martin und Christian unseren Run, erreichen bereits um 9 am Abend das Norwegerbiwak, wo uns, besonders Hias und mich, eine boese Ueberraschung erwartet: Das am Donnerstag aufgestellte Zelt ist nicht mehr da! Wir finden es 100 Meter weiter unten, komprimiert auf ein schoenen kleinen Haufen. Das Material war gott sei Dank noch alles da und verwendbar, aber das Zelt ist, um es ganz einfach auszudruecken, voll im Arsch. Na super, also im Freien uebernachten ab jetzt. Nachdem wir uns eine Kleinigkeit gekocht haben und uns fuer 2 Stunden in die Horizontale begeben wollen, bevors wieder los geht, kommt auch schon die naechste boese Ueberraschung: Ich werde von einer nicht enden wollenden Kotzattacke heimgesucht, die Nebenerscheinungen wie Schuettelfrost (super angenehm bei eh schon eher kalten Biwaks) und Durchfall geben mir schlussendlich den Rest und ich kann, schon allein um meinen Kumpels nicht die Chance auf den Gipfel zu nehmen und uns nicht alle in Gefahr zu bringen, nicht mitkommen. Schweren Herzens schaue ich den anderen hinterher, wie sie um kurz nach Mitternacht in Richtung Schulter starten (mittlerweile ist der Grund dafuer bekannt: Das Wasser in den Hostels von El Chalten ist nicht unbedingt zum Drinken zu Empfehlen. Jetzt wissen wir das auch, man wird ja immer schlauer....). Im Dunkeln klettern Hias, Chris und Martin ueber das teilweise heikle kombinierte Gelaende auf die Schulter, welche sie puenktlich zu Sonnenaufgang erreichen. Eine gewaltige, eindrucksvolle Stimmung herrscht dort oben, der Blick hinunter auf den Gletscher und den Lago Torre - einfach ueberwaeltigend. Doch fuer das Sammeln landschaftlicher Eindruecke bleibt wenig Zeit, die Kletterei beginnt. Die jetzt folgenden Seillaengen sind, so schauts zumindest aus, nicht sehr schwer, aber wie so oft kommts halt wieder mal anders. Um es mit den Worten von Hias zu sagen: So beschissene Verhaeltnisse, jeder scheiss Riss is eigschniem oder vereist, wenns wos legen wuist, muast zeascht auskrotzen, und staendig wechseln vo Steigeisen auf nit Steigeisen und vo Pickel auf Bratzen, es is zum Kotzen. So vergehen die Stunden, jede einzelne Seillaenge nimmt extrem viel Zeit in Anspruch, die zugestopften Risse und der Anraum machen das Klettern zur Eierei. Nach der Bolt-Traverse und einem heiklen Mixed-Kamin uebermannt die Dunkelheit die 3 Jungs, ein Weiterklettern scheint angesichts der Tatsache, dass Sie jetzt seit 30 Stunden nonstop unterwegs sind unmoeglich, also gibts ein angenehmes Biwak in der Wand. Hias bekommt ein sauenges und abfallendes Schneeband, so gut es geht richtet er sich fuer die Nacht ein. Staendig kommen kleinere Schneelawinen runter, an richtigen Schlaf ist nicht zu denken. Tags darauf hat das Wetter dann umgeschlagen: Leichter Schneefall und aufkommender Wind stellen Hias, Chris und Martin vor eine schwere Entscheidung. Schlussendlich hilft nur mehr der Rueckzug, 2/3 der Wand waren bereits geschafft, sie hatten die Headwall vor Augen. Das Abseilen gestaltete sich auf Grund der stark laedierten Seile als moralische Herausforderung, zurueck auf der Schulter war dann nicht mehr viel uebrig von den Seilen. Am Dienstag bei Einbruch der Dunkelheit, nach fast 60 Stunden Hatschen, Kraxln und Murgsen in den Beinen erreichen Sie das Bridwell Camp, wo ein etwas besorgter Hechei erst mal aufatmet...

Zurueck in El Chalten wird wieder mal gegessen bis zum Anschlag und ein wenig (aber nur ein klein wenig) ausgegangen, das ist gut fuer die Moral. Nach und Nach verlassen die Kletterer Patagonien, eigentlich alle ohne Erfolge, die letzten Wochen waren echt scheisse, und das letzte Fenster konnte auf Grund der durch das pausenlose Schlechtwetter nicht gerade passablen Verhaeltnisse nicht so richtig genutzt werden. Auch fuer die Ischgler Martin und Chris ist der Zug vorzeitig abgefahren, sie werden Ende der Woche heimreisen. Hias und mir bleiben noch 2 Wochen, der Versuch von Hias bringt uns jetzt extrem viel, es gibt vieles das wir besser machen koennen. Sobald sich das naechste Fenster aufmacht, werden wir mit neuer Taktik (leichter und hoffentlich schneller) wieder angreifen, aber wie schon gesagt: Patagonien ist anders...................

5 Kommentare:

Pollux hat gesagt…

Hallo Jungs!

Danke für den spannenden Bericht und die tollen Bilder!
Schade, aber Hauptsache ist, dass es euch gut geht!!!
Wird schon werden.

Liebe Grüße "Tantchen"

P.S. Es wird euch zwar nicht sonderlich trösten .. aber auch bei uns ist das Wetter besch..euert!

Anonym hat gesagt…

servas mathias und "mitstreiter"! war gestern beim onkel peter bzw. oma und hab da die ausdrucke von euern blog gesehen - jetzt hab i ma des alles durchgelesen und i muss sagen mein lieber herr gesangsverein!!! a net schlecht wie ihr euch da die "zeit vertreibts"... also da brauchst glaub i scho a paar nerven!! hört sich ja echt spannend und kräfteraubend an!! na i werd des weiter auf den blog beobachten und wünsch euch mal alles gute das des hinhaut und jeder gesund bleibt. na dann, schöne grüße, Jürgen!!

michi hat gesagt…

hi manda
i ku nur oas song

sau stark, aber so richtig stark

vü glück beim naxten versuch
griaß
michi
p.s. schickts ma bitte a mail mit die ankunftsdaten (michi@slack.fr)

Pollux hat gesagt…

Lieber Mathias und Kletterfreund!

Ich bin beim Tantchen in Ibk und denke ganz fest an euch beide. Habe gerade die schönen Bilder angeschaut. Wünsche euch viel Glück und Erfolg bei euren Unternehmungen.
Kommt gesund zurück!

Bussi Godi

Auch ich wünsche euch beiden weiterhin viel Kraft und Energie und passts gut auf euch auf (riskierts nicht zuviel!).
Die Weihnachtskekse warten schon auf euc).
Liebe Grüße
Tantchen
P.S.: Dad hat sich auch aus der Karibik per sms gemeldet. Er schwitzt - Wetter super, Wassertemperatur auch!

Anonym hat gesagt…

Servus Hechei und Hias!

Was habt's ma blos mit dem Zelt angstoit. Das is ja a Wahnsinn. Wahrscheinlich schlaft's eh besser im Freien ( Scherz! ).
I hoff es geht eich guat.
I wünsch euch nur das Beste - haut's den Gipfel nieder, nehmt an Rucksack voll Eis mit und kemmt's wieder gsund hoam.

lg

Martina und Hannes
BauernEis